Presseerklärung vom 20.03.2020
Sondenentwöhnung in Zeiten des Coronavirus
Sehr geehrte Damen und Herren,
Corona stellt eine große Herausforderung dar. Für uns als Gesellschaft und jeden Einzelnen von uns. Viele Betriebe schließen und wir kommen einem unvorstellbarem Shut-Down immer näher. Dieses stellt Familien, deren Kind eine Sonde hat, vor noch größere Herausforderungen und es droht, dass diese Familien vollständig unversorgt bleiben.
Die Versorgung sondendependenter Kinder
Viele Kinder werden aktuell im Rahmen stationärer Behandlungen versorgt. Aufgrund der Corona Pandemie ist eine stationäre Aufnahme problematisch. Viele Kinder mit Sondendependenz haben chronische Lungenerkrankungen, angeborene Herzfehler oder haben ein vorbelastetes Immunsystem und sind daher Hochrisikopatienten. Damit ist die Versorgung von Kindern mit Sondendependenz nicht mehr gesichert.
Sondendependenz kann nicht warten
Fütterstörung und Sondendependenz wächst sich nicht aus. Ohne eine gezielte Behandlung bleiben Kinder über Jahre abhängig von der künstlichen Ernährung. Bei einer Behandlung im Hausbesuchsprogramm können 90 % der Patienten geheilt entlassen werden. Daher ist eine Weiterbehandlung von Kindern mit Sondendependenz auch in Zeiten von Corona erforderlich.

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Sondenentwöhnung in Zeiten des Coronavirus
Bereits vor 10 Jahren konnten wir zeigen, dass bei stationären Therapien ein deutlich höheres Infektionsrisiko besteht als in einem Hausbesuchsprogramm. Dieses Forschungsergebnis erhält in Zeiten des Coronavirus eine neue Bedeutung. Die geringe Infektionsrate ist dadurch bedingt, dass jedes Kind individuell von einem Therapeuten behandelt wird. Unsere Therapien werden nicht in Gruppen durchgeführt, sondern grundsätzlich als Einzeltherapien. Die Therapie findet im Rahmen von Hausbesuchen statt. So konnten wir schon in der Vergangenheit die Verbreitung von Infektionen während der Therapie reduzieren. So kommt das Kind oder seine Eltern nicht in Kontakt mit Pflegepersonal, welches zuvor ein krankes Kind gepflegt hat. Das Kind kommt nicht in einem Gruppenraum in Kontakt mit infizierten Kindern oder Erwachsenen. In der Erstvorstellung oder der Nachuntersuchung gibt es keine Wartezeiten in Krankenhausambulanzen. Bereits durch die bestehende Struktur der Therapie konnten wir das Infektionsrisiko stark minimieren.
Zusätzliche Maßnahmen während der Sondenentwöhnung
Wir möchten als Versorger den hohen Standard unserer Therapie weiter aufrechterhalten. Auch in Zeiten von Corona brauchen Eltern und Kinder unsere Unterstützung. Natürlich gilt: „Safety first!“. Daher haben wir folgende Maßnahmen zur Therapiesicherheit eingeführt:
- Jeder unserer Mitarbeiter ist angehalten, sich an die Sicherheitsmaßnahmen, welche vom Robert-Koch-Institut herausgegeben wurden, zu halten. Ansammlungen von Menschen sind zu vermeiden, insbesondere Sportveranstaltungen, Konzerte oder Gaststättenbesuche.
- Workshops und Kongresse, die z.B. im April 2020 geplant waren, wurden bereits in den Oktober 2020 verschoben.
- Reisetätigkeiten außerhalb der Hausbesuche sind untersagt.
- Teammeetings werden als Videokonferenzen durchgeführt.
- Jeder unserer Mitarbeiter wird verpflichtet, morgens und abends Fieber zu messen. Sollte ein erhöhter Fieberwert gemessen werden, erfolgt eine sofortige Krankschreibung für mindestens 7 Tage. Bei anderen Grippesymptomen erfolgt eine Krankschreibung für mindestens 14 Tage.
Durch diese zusätzlichen Maßnahmen sollen die Therapiesicherheiten, auch in Zeiten des Coronavirus, gewährleistet bleiben. Wir wollen durch unser Angebot Kinderkliniken in Deutschland entlasten. Wir rufen daher die Krankenkassen auf, Familien mit chronisch kranken Kindern weiterhin die Hilfe zukommen zu lassen, die sie benötigen und ein Infektionsrisiko zu minimieren. Eine wohlwollende Prüfung der Behandlung der Sondendependenz im Hausbesuchsverfahren wäre ein wichtiges Signal für Eltern und Versorger. Wir hoffen auch Ihnen Mut zu machen in diesen Zeiten des Stillstandes. Wenn Sie weitere Fragen haben, zögern Sie nicht, sich an uns zu wenden.
Bleiben Sie gesund!
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Institut für Sondendependenz
Quellen
Wilken M. / Bartmann P. / Dovey T. et al. (2018): Characteristics of feeding tube dependency with respect to food aversive behaviour and growth. Appetite 123:1-6.
Wilken M. / Cremer V. / Berry J. et al. (2013): Rapid home-based weaning of small children with feeding tube dependency: positive effects on feeding behaviour without deceleration of growth. Arch Dis Child 98 :856-861.
Wilken, M. (2010): Feeding tube weaning in a home-based and inpatient setting: Differences and similarities. Infant Mental Health Journal; 32, S149.
Titelfoto: Christine Sandu